Wettfahrt: Die langsamere Kutsche gewinnt
Das Wort «langsam» ist Schweizer Ohren wohlvertraut, zählt es doch zu den Vorurteilen, die sich am hartnäckigsten über Schweizer halten, wie zum Be...
- 4. Mai 2020
- 4 Min. Lesezeit
- Sonia Craven
Das Wort «langsam» ist Schweizer Ohren wohlvertraut, zählt es doch zu den Vorurteilen, die sich am hartnäckigsten über Schweizer halten, wie zum Beispiel auch das Gerücht, dass alle Schweizer gerne und immerfort Schokolade essen würden. Bei diesem Brainteaser geht es allerdings nicht um die Ausräumung eines Vorurteils, sondern um die Situation in einem Vorstellungsgespräch, wenn man mit einem Brainteaser konfrontiert wird und darauf eine gute und nachvollziehbare Antwort finden soll.{:.intro-text}
Der Kutschen-Brainteaser:
Die Aufgabenstellung
Ein reicher Edelmann war dem Tode nahe. Auch wenn er sein gesamtes Hab und Gut gleichmässig an seine Töchter vererben wollte, wusste er doch, dass es einen Zankapfel zwischen ihnen geben würde: eine wertvolle Brosche, die schon seine Grossmutter getragen hatte. Um diesen Streit noch vor seinem Tode zu schlichten, stellte er seinen Töchtern eine Aufgabe: Beide sollten eine Wettfahrt mit einer Kutsche – gezogen von je 2 Rössern – veranstalten und die Brosche sollte derjenigen zustehen, deren Kutsche hinter der anderen ins Ziel käme.
Seine beiden Töchter schwangen sich auf den Bock ihrer Kutschen und fuhren los, aber sie kamen nicht weit. Schon nach kurzer Zeit blieben sie buchstäblich stehen, weil keine schneller als die andere fahren wollte.
Eine weise Frau sah das Patt und ging zu den beiden Edelmanns Töchtern, um mit ihnen zu sprechen. Die Töchter stiegen von den Kutschböcken hinab und hörten der alten Frau auf einer Bank sitzend eine Weile zu. Kurz darauf sprangen sie auf, ergriffen die Kutschzügel und trieben die Pferde zu einer wilden Fahrt an.
WAS WAR PASSIERT?
Einordnung der Frage: Worum geht es?
Diese Denksportaufgabe gehört zu den Fragen, die auf logisch-analytisches Denken abzielen. Recruiter achten darauf, ob Kandidaten einen Blick für das Wesentliche haben und richtige Schlussfolgerungen ziehen können. Logik bedeutet, richtig argumentieren zu können. Bewerber sind also aufgefordert, aus einer Aufgabe die Tatsachen herauszufiltern, darüber nachzudenken und eine nachvollziehbare Lösung zu präsentieren.
Rückfragen stellen: Dos und Don’ts
Damit du von Beginn an richtig mit der Situation umgehen und dein Vorgehen planen kannst, solltest du zunächst die Regeln für den Ablauf und den Umgang mit dem Brainteaser klären. Damit zeigst du dem Recruiter einerseits dein Interesse an einer Lösung und erfährst zusätzlich, in welchem Rahmen du dich bei der Antwortfindung bewegen kannst. Dabei solltest du einige allgemeine Dos und Don’ts beachten:
Allgemeine Dos:
- Stell deine Rückfragen so konkret wie möglich.
- Schau deinem Gegenüber in die Augen. Blickkontakt ist für die Empathie wichtig, die vielleicht dazu führt, dass du den ein oder anderen Hinweis erhältst, den andere nicht bekommen.
- Schätze Grössenordnungen erst selber ein, bevor du beim Recruiter nachfragst, ob du damit richtigliegst.
- Rechne immer alleine und ohne Unterstützung des Recruiters.
Dos Beispielformulierungen:
- «Darf ich Stift und Zettel benutzen, um mir Notizen zu machen und meine mathematischen Schritte und Überlegungen aufzuschreiben?»
- «Darf ich Ihnen Rückfragen stellen? Und wenn ja, wie viele Rückfragen sind gestattet?»
Allgemeine Don’ts:
- Frag nicht nach Fakten, die du kennen solltest, wie die Anzahl der Wochen eines Jahres, wie viele Tage ein Jahr oder wie viele Meter ein Kilometer hat.
- Stell nicht zu spitzfindige Fragen.
- Stell nicht zu viele Fragen: Nicht der Recruiter soll dir eine Antwort geben, sondern du ihm.
- Verlier dich bei deinen Fragen nicht in Details.
Don’t Beispielformulierung:
- «Geht es hier um ein Vorurteil gegen Schweizer? Ist das eine Fangfrage? Entschuldigen Sie bitte, ich kann damit einfach nichts anfangen und würde auf den Versuch einer Antwort lieber verzichten wollen.»
Dein Weg zur Lösung
Um die richtige Antwort auf diese Frage zu finden, solltest du dir die Ausgangslage und die Bedingungen des Vaters noch einmal kurz vor Augen führen.
Wie sieht die aktuelle Situation aus, die du vor dir siehst? Dort stehen zwei Kutschen mit jeweils 2 Pferden und die Kutsche gewinnt, die hinter der anderen ins Ziel kommen wird. Und jeder Tochter gehört eine Kutsche.
Da nach dem Gespräch mit der alten Frau beide Töchter so schnell wie möglich davonfahren, muss sich an der Zusammensetzung etwas geändert haben. Die Vorgabe des Vaters kann es nicht sein, weil er gar nicht anwesend ist und die Bedingung der Wettfahrt nicht geändert hat. Welche Bedingung bleibt also übrig?
Richtig, die einzig mögliche Lösung lautet: Die beiden Töchter haben die Kutschen getauscht und versuchen nun, die Kutsche der anderen so schnell wie möglich über die Ziellinie zu fahren, damit ihre eigene Kutsche dahinter ins Ziel einfährt.
Lösung:
Die Töchter des Edelmanns haben die Kutschen getauscht.