Karriere-Planung in wohldosierten Häppchen
Die einen nehmen es allzu gelassen, die anderen sind wegen des nahenden Studienabschluss dauergestresst.
- 7. Dezember 2022
- 6 Min. Lesezeit
- Sandra Läderach Biaggi und Julia Michael
Die einen nehmen es allzu gelassen, die anderen sind wegen des nahenden Studienabschluss dauergestresst. Beides ist nicht ratsam, eine wohldosierte Auseinandersetzung mit dem Berufseinstieg hingegen schon. Zwei Expertinnen verraten die besten Tricks für eine stressfreie Vorbereitung auf den ersten Job nach dem Studium.
«In welchen Berufsfeldern kann ich mit meinem Studienabschluss arbeiten?», «Welche Kompetenzen bringe ich überhaupt mit?», «Wie finde ich heraus, ob ein*e Arbeitgebende*r zu mir passt?», «Wo beginne ich mit der Stellensuche?». Kommen dir solche Überlegungen und Sorgen bekannt vor? Dann bist du nicht alleine, denn so und ähnlich klingen die Anfragen vieler Absolvierenden, die bei den Career Services an Hochschulen in der ganzen Schweiz eingehen. Das Karrierezentrum der Universität Zürich bietet Studierenden und Doktorierenden Unterstützung bei Fragen rund um den Berufseinstieg. Konfrontiert mit der Frage «Was kann ich nach dem Studium machen?» empfehlen wir, sich aktiv mit der eigenen Laufbahn auseinanderzusetzen (Career Engagement), am besten in wohldosierten «Häppchen». Zu Beginn geht es oft darum, ein paar Fehlannahmen aus dem Weg zu räumen.
Breaking the myths
Mythos 1: Karriere bedeutet für alle das Gleiche
Häufig stellen wir fest, dass Studierende nicht dieselbe Vorstellung einer erfolgreichen Karriere haben, wie die ihnen bekannten Referenzpersonen (Familie und Freund*innen). Die damit verbundene Unsicherheit und der Stress führen dazu, dass Studierende die Auseinandersetzung mit ihrer beruflichen Zukunft hinausschieben. Doch: Es ist ok, wenn du andere Ziele mit deiner Laufbahn verfolgst.
Jeder Mensch hat seine eigene Definition von Laufbahn und Erfolg. Mit der Botschaft, dass Karrieren und Karriereerfolg subjektiv sind, möchten wir Freude an der Auseinandersetzung mit der persönlichen Laufbahn schaffen.
Mythos 2: Erfolgreiche Laufbahnen sind planbar
Die zweite Hürde besteht in der Annahme, dass eine erfolgreiche Laufbahn von langer Hand und abschliessend geplant werden muss. Viele Studierende schrecken davor zurück, ihren Interessen und Visionen zu folgen und gleichzeitig offen und flexibel zu bleiben. Doch der Zufall spielt in jeder Laufbahn eine grosse Rolle! Oft haben gerade unvorhersehbare Ereignisse eine grosse Bedeutung für die berufliche und private Zukunft. Wer sich ihnen gegenüber offen zeigt, kann von so mancher Wendung angenehm überrascht werden. Und das Beste: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällige Situation eintritt, kann durch das eigene Verhalten stark beeinflusst werden. Ein Tipp: Mit anderen Menschen zu reden hat den grössten Einfluss.
Mythos 3: Den nächsten Job habe ich für den Rest meines Lebens
Zu weit in die Zukunft planen zu wollen, kann lähmend wirken. Statistisch gesehen ist es gar nicht notwendig, gleich nach DER Stelle zu streben. Denn die meisten Studierenden werden ihre Stelle während ihrer Berufslaufbahn rund zehn Mal wechseln. Das entlastet und eröffnet die Möglichkeit, die Zeit nach dem Studium zur Orientierung zu nutzen.
Es gibt Ratgeber, die bewusst einen Stellenwechsel nach einigen Jahren empfehlen. Manchmal grassiert auch die irrige Meinung, dass der nächste wichtige Job sicher eine 100 % Stelle sein muss, damit die Karrierechancen intakt bleiben. Statt einer Vollzeitstelle ist auch ein Portfolio denkbar, bestehend aus einer Teilzeitanstellung und Neben-beschäftigungen, die den Einsatz besonderer Fähigkeiten und Interessen erlauben.
Mythos 4: Zuerst schliesse ich das Studium ab, dann schaue ich unbeschwert weiter
Dich mit deinem Berufseinstieg und deiner späteren Laufbahn aktiv auseinanderzusetzen, erfordert Zeit und Hingabe. Viele Gelegenheiten, um etwas über sich, verschiedene Arbeitgebende oder Stellenprofile zu erfahren oder zufällige Situationen ergeben sich bereits während des Studiums. Wer die Augen vor diesen Möglichkeiten verschliesst, vergibt sich Chancen, die nicht so bald wiederkommen. Zudem kann sich im Verlauf des Studiums auch Druck aufbauen, wenn immer mehr Kommiliton*innen durch Offenheit und Studijob- oder Volunteering-Erfahrungen erste Erfolgserlebnisse verzeichnen.
«Career Engagement» – also die aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Laufbahn – kann in kleinen Häppchen erfolgen und gerade deshalb bekömmlich sein.
Unsere Empfehlungen für eine gelungene Karrieregestaltung
Kenne dich selbst
Finde heraus, welches deine Interessen, Stärken und Werte sind, damit du ein Gespür entwickelst, welche Arbeitgebende zu dir passen könnten. Manchmal hilft es, dies in einem Workshop zu tun – der Austausch mit Gleichgesinnten inspiriert und ermutigt. Deinen persönlichen Brand zu entwickeln, mit dem du dich selbst positionierst und von anderen unterscheidest, braucht Selbstkenntnis und Zeit.
Unsere Tipps:
1. Wisse, welche Kompetenzen und Stärken du besitzt
2. Sei dir deiner Ziele bewusst
3. Kenne deine Werte und Präferenzen
4. Kenne dein Netzwerk
5. Kenne deine Persönlichkeit
6. Verfüge über die Fähigkeit zum Selbstmanagement
Kenne deine Möglichkeiten
Hör dich an deiner Hochschule um und besuche Jobmessen und Veranstaltungen mit Alumni, die von ihren Erfahrungen beim Übergang von Studium zum Beruf berichten. Es gibt zahlreiche Jobmessen – also Veranstaltungen, bei denen sich Unternehmen ganz gezielt Studierenden vorstellen. Sie bieten häufig einen Raum für ein ungezwungenes Kennenlernen. Interessieren dich bereits ganz bestimmte Berufe und Personen? Trau dich und nimm Kontakt zu den Professionals auf, um im Gespräch mehr über das Berufsfeld zu erfahren. Über professionelle Plattformen wie LinkedIn oder auch mit einer einfachen E-Mail kann der Kontakt schnell hergestellt werden. Je mehr du über den Arbeitsmarkt weisst, desto einfacher fällt es dir, darin zu navigieren. Sei neugierig und probiere verschiedene Dinge aus (Studijobs, Austauschsemester, Praktika).
Unsere Tipps:
1. Kenne die Berufe und Tätigkeiten, die zu deinem Profil passen
2. Kenne die für dich relevanten Branchen und Unternehmen
3. Kenne die Möglichkeiten des Studiums Master/PhD
4. Kenne die Möglichkeiten der beruflichen Weiterbildung
5. Sei über den verdeckten Arbeitsmarkt informiert
6. Prüfe die Möglichkeit, dich selbstständig zu machen
Kenne die Tools
Schau, dass deine Bewerbungsunterlagen auf dem aktuellsten Stand sind. Weisst du, wie ein Vorstellungsgespräch abläuft und wie du dich am besten aufs Assessment vorbereitest? Kennst du die verschiedenen Stellensuchstrategien und Selektionsinstrumente? Nutze die zahlreichen Angebote, dir dieses Wissen anzueignen, es verschafft Zuversicht und Gelassenheit. Unsere Lieblingsmethode ist das informelle Interview, das dir die Möglichkeit gibt, dich mit Professionals auszutauschen und Situationen zu schaffen, in denen der Zufall eintreten könnte.
Unsere Tipps:
1. Wisse, wie man ein Motivationsschreiben verfasst
2. Beherrsche die Selektionsinstrumente aus der Bewerbersicht
3. Sei in der Lage, dein Profil so zu formulieren, dass es das Interesse anderer weckt
4. Wisse, wie ein CV geschrieben wird
5. Sei in der Lage, deine Stärken so zu formulieren, dass sie zur Stelle passen
6. Sei in der Lage Kontakte aufzubauen und deren Feedback zu nutzen
Die Zukunft ist wichtig, also plane
Plane deine Vorsätze, damit du die richtigen Schritte kombinierst und diese auch wirklich umsetzt. Eine Bewerbung zu verfassen dauert einen halben bis einen ganzen Tag, die Stellensuche dauert in der Regel zwischen drei und sechs Monaten. Geh in kleinen Zeitabschnitten vor und plane nebst den Lernphasen und Prüfungen auch Pausen und Ferien ein, damit du in einem guten Gleichgewicht bist. Und denk daran: Je mehr du über dich und die Möglichkeiten weisst, desto einfacher wird dir die Planung fallen. Sei dabei jederzeit offen, den Zufall beim «Schopf» zu packen.
Unsere Tipps:
1. Plane deine Bewerbung
2. Plane deine Übergänge
3. Bring dein Leben und deine Laufbahn in Einklang
4. Entwickle deine Fähigkeiten
5. Entwickle deine Persönlichkeit
6. Entwickle dein Netzwerk vorausschauend
Und das Wichtigste
Zeige und engagiere dich in Fach- oder anderen Vereinen, bei der Freiwilligenarbeit, im Sport, beim Mentoring, etc. Wenn du dich aktiv und offen mit deiner Karriere auseinandersetzt, fühlt sich das leicht an und macht Spass. Suche Menschen, die dich auf deinem Weg begleiten: Besprich dein Vorgehen mit ihnen und ziehe ihre Ideen in einer schwierigen Phase mit ein. Die Career Services deiner Hochschule sind genau dafür da.
Wir wünschen dir viel Glück und Neugierde!
Career Services UZH
Die Career Services unterstützen Studierende, Doktorierende und Postdocs beim Übergang von der Hochschule ins Berufsleben. Mit einem ressourcenorientierten, ganzheitlichen Ansatz konzentrieren wir uns nicht nur auf die fachlichen Fähigkeiten, die Absolvent*innen während ihres Studiums erworben haben, sondern auch auf ihre Lebenserfahrungen und persönlichen Situationen. Wir bringen die Studierenden mit Fakultätsmitgliedern, Alumni und Arbeitgebenden zusammen.
Ratgeber: www.careerservices.uzh.ch
Job- und Eventplattform: www.uzhcareer.ch