Du machst, was du bist? Wie Charakter und Berufswahl zusammenhängen

Heutzutage will man nicht mehr einfach nur einen guten Beruf finden, sondern eine Berufung. Der Job soll perfekt zur eigenen Persönlichkeit passen,...

  • 16. Dezember 2020
  • 3 Min. Lesezeit
  • Max

Heutzutage will man nicht mehr einfach nur einen guten Beruf finden, sondern eine Berufung. Der Job soll perfekt zur eigenen Persönlichkeit passen, man will darin aufgehen und möglichst 24/7 Freude daran haben. Ganz schön hohe Ansprüche. In welchen Berufen werden welche Charaktere fündig?{:.intro-text}

Diese Frage hat ein Psychologen-Team um Dr. Claudia Harzer und Prof. Willibald Ruch in Zürich untersucht. In zwei parallelen Studien befragten sie Berufstätige aus 173 Berufsgruppen nach ihren Charakterstärken und wie sie diese in ihren jeweiligen Jobs einsetzen (können).

Signaturstärken zum Einsatz bringen

Die Grundlage stellte dabei ein anerkannter Katalog, der 24 psychologische Stärken umfasst, darunter beispielweise Freundlichkeit, Hoffnung, Humor und Teamarbeit. Besonders ausgeprägte Charakterstärken nennt man Signaturstärken. Von diesen besitzt jeder Mensch zwischen drei und sieben.

Das Ergebnis der Studie: Je mehr seiner Stärken man im Berufsalltag einsetzen kann, desto mehr Spass, Zufriedenheit und Sinn findet man in seinem Job. Besonders hoch ist die Zufriedenheit bei Menschen, die vier oder mehr ihrer Signaturstärken anwenden können: Sie nehmen ihren Beruf eher als Berufung wahr als diejenigen, die «nur» drei oder weniger Stärken anwenden können.

Mutige Manager, bescheidene Buchhalter

Und was heisst das jetzt konkret? Hast du einen Weg eingeschlagen, der zu deinen Charakterstärken passt? Hier ein paar Beispiele von typischen Mustern, auf die die Studienergebnisse schliessen lassen:

  • Manager und Unternehmer zeichnen sich vor allem durch Tatendrang, Kreativität, Tapferkeit und Enthusiasmus aus
  • Ärzte lernen gerne und besitzen viel Ausdauer und Neugierde
  • Journalisten sind kreative Menschen und gut im Lösen von Problemen, darüber hinaus sind sie neugierig und wissbegierig
  • Wissenschaftler denken ebenfalls kreativ und lernen gerne dazu; auch besitzen sie ein gutes Urteilsvermögen
  • Buchhalter sind bescheidene und vorsichtige Persönlichkeiten, die sich durch Ehrlichkeit und Fairness auszeichnen
  • Weitsicht, soziale Intelligenz und gutes Urteilsvermögen findet man bei vielen Rechtsanwälten
  • Und was viele Psychologen und Lehrer gemeinsam haben? Bindungsfähigkeit und die Liebe zum Lernen.

Was war zuerst? Die Stärken oder der Beruf?

Hast du dich wiedererkannt? Und wenn nicht, bedeutet das, dass du den falschen Weg eingeschlagen hast? Zunächst müsste man schliesslich klären, wie es überhaupt zustande kommt, dass sich Menschen innerhalb einzelner Berufsgruppen so ähneln. Wählt man den Beruf den eigenen Stärken entsprechend oder manifestieren sich die Stärken erst durch die Ausübung des Berufs?

Claudia Harzer meint, beides sei möglich. Teilweise sind Charakterstärken genetisch bedingt oder haben sich bereits sehr früh ausgeprägt und gefestigt, aber das Arbeitsumfeld bietet auch die Möglichkeit für Veränderungen: Man kann Stärken auch vergleichsweise spät im Leben weiter- oder sogar neu entwickeln.

Auf der Suche nach dem Perfect Match

Schwierig wird es, wenn die Charakteranlagen und das berufliche Umfeld gar nicht harmonieren: darunter leidet die Zufriedenheit zwangsläufig. Klar, manchmal muss man sich erst einmal orientieren und akklimatisieren. Aber wenn man dauerhaft Stress empfindet, das Gefühl hat, nicht voranzukommen und seine eigenen und/oder fremde Erwartungen nicht zu erfüllen, passt der gewählte Beruf vielleicht wirklich einfach nicht. Vielleicht liegt die Realität auch so weit entfernt von der Vorstellung, die man von dem Job hatte, dass man seine Stärken nicht wie geplant zum Einsatz bringen kann.

Der Plan zum glücklich werden könnte also im genauen Hinterfragen liegen: Wie bin ich eigentlich? Was kann ich, und was kann ich gern? In welchen Bereichen sind meine Stärken gefragt? Wo kann ich mich einbringen, gut sein und Spass dabei haben?

Wenn es für jeden genau «den einen» perfekten Job gäbe, wäre es wohl schon wieder zu einfach – und es gäbe mit Sicherheit längst Wege, dieses Perfect Match gegen das nötige Kleingeld zu bestimmen. Wer sich seiner Signaturstärken bewusst ist, kann seine Suche nach der Erfüllung aber auf eine Reihe an Berufen eingrenzen, die eins gemeinsam haben: Das beste Potenzial, die eigenen Charakterstärken zufriedenstellend einzusetzen und so das viel beschworene Glück im Job zu finden.